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Geschichte der Spinne mit dem Winde

Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 5 ( von 6 )

Der König, von dieser Antwort entzückt, sagte zu seinem Sohne: "Du bist, gelobt sei Gott, so verständig und so unterrichtet, dass wir dir nicht zu empfehlen brauchen, wie du deine Untertanen beherrschen sollst; du wirst nach Gottes Gesetzen Gerechtigkeit walten und durch die Macht dich nicht zum Bösen verleiten lassen; eine Stunde, mit Gerechtigkeitspflege zugebracht, zieht einen tausendjährigen Lohn nach, während Ungerechtigkeit dich ins Verderben stürzt; schließe deine Augen nicht, wenn Gewalt verübt wird, die deine Untertanen kränkt, schone ihr Blut und ihre Ehre, entziehe ihnen deine Nähe nicht, damit ihre Liebe stets zunehme; ehre deine Veziere, beherzige ihren Rat und wache stets für das Gute; begnüge dich mit dem, was du hast, und gelüste nicht nach dem Reiche Anderer, neige dich zu Nichts hin, was das Gesetz oder dein Verstand verwirft; es wird dir wohl ergehen, wenn du alles dies beobachtest, und dich reuen, wenn du es vernachlässigst; bete zu Gott, dass er dich unter die ihm Gehorchenden und nicht unter die Widerspenstigen reihe." Als alle Anwesenden "Amen" sagten, setzte der König seinem Sohne die Krone aufs Haupt, hob ihn auf seinen Thron und gebot allen Anwesenden, Häupter der Truppen, Gelehrte und Vezieren, ihm zu huldigen und Treue in Wort und Gesinnung zu schwören. Nach dieser Huldigung lebte der König noch zehn Jahre; da überfiel ihn eine schwere Krankheit, die kein Arzt zu heilen vermochte. Als er sich dem Tode nahe sah, versammelte er alle Veziere und Häupter der Truppen und des Volks, ließ auch seinen betrübten Sohn zu sich rufen und sagte: "Ich habe nun den letzten Tag diese Lebens erreicht, ich trenne mich ungern von euch, doch Niemand entgeht dem Tode. Fürchte Gott, mein Sohn, und gedenke dieser Stunde und des darauf folgenden Gerichtstages, wo sich schweres ereignen wird, als du jetzt mit deinen Augen siehst." Der Prinz sagte weinend: "Du weißt, dass ich dir stets gehorchte und deine Lehren beobachtete, ich will auch jetzt deinen letzten Willen vernehmen und ihn treu befolgen; doch wie kann ich deine Trennung ertragen? wo finde ich einen andern Vater, so liebend, so treu ratend?" Der König sagte: "Höre, mein Sohn! auf meine Worte und grabe sie tief in dein Herz; wenn du nach meinem Tode König wirst, so merke dir zehn Dinge, die ich erprobt und die ich dir als meinen kostbarsten Schatz und teuersten Erwerb hinterlasse. Bist du im Zorn, so schweige; wirst du von einem Unglück heimgesucht, so habe Geduld; sprichst du, so sei wahr in deinen Reden; versprichst du Etwas, so erfülle dein Versprechen; urteilst du, so sei mild; bist du mächtig, so sei großmütig; fordert man Etwas von dir, so gewähre; bist du Jemand feind, so vergiss seine Schuld; lobt man dich, so sei freigiebig; schmäht man dich, so sei gerecht."
Hierauf wendete sich der König zu den übrigen Anwesenden und sagte: "O ihr Veziere und Häupter des Reichs! ich weiß, dass ihr mir treue Freunde und Ratgeber wart, und erkenne es öffentlich zu dieser Stunde an; ihr wisset aber auch, dass ich einen Jeden von euch ehrte und belohnte. Nun fordere ich von euch, dass ihr meinem Sohne werdet, was ihr mir wart, er wird gewiss in meine Fußstapfen treten: bleibt einig unter einander, fürchtet Gott und gehorcht euren Obern, ihr werdet dann nie euren Feinden unterliegen und euers Vaterlandes Wohl sichern; hütet euch vor Widerspenstigkeit und Treuebruch, sonst stürzt ihr euch und euer Land ins Verderben und macht eure Feinde schadenfroh. Erinnert euch dessen, was ihr mir bei der Geburt des Prinzen geschworen, bewahret den Bund, den wir mit einander geschlossen, Gott wird euch und meinem Sohne, der von nun an euer König ist, beistehen." Als er diese Worte gesprochen hatte, überfielen ihn die Todeskrämpfe, seine Zunge ward gelähmt, das Schwarze seiner Augen verbarg sich, er drückte seinen Sohn an sich, küsste und umarmte ihn, betete zu Gott um Verzeihung und verschied in Frieden. Alle Anwesenden weinten heftig, entkleideten und wuschen ihn, zogen ihm ein königliches Todengewand an, legten ihn in einen goldnen Sarg, trugen ihn in die königliche Gruft und beweinten ihn von ganzer Seele.

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